Ich könnte viele Ausreden dafür finden, warum ich meine Radreise bereits hier in der Türkei, Samsun, direkt am schwarzen Meer nach nun gut 3.500 km vorzeitig beende. Ich könnte es aufs Wetter schieben, auf die endlos langen von Fahrzeugen gefüllten Bundesstraßen oder (/und) auf den nimmer enden wollenden Höhenmeter
Sich selbst eingestehen
Tatsache ist aber, dass ich keinerlei Rhythmus, keinerlei Balance für mich in dieser Reise finden konnte und nach zwei Monaten auf dem Rad muss ich mir wohl eingestehen, dass dieses Format so nicht ganz für mich passt. Mein Körper hat mir das immer wieder durch Krankheit (Erbrechen, Durchfall und Übelkeit) und mein Kopf durch die ständige mentale Erschöpfung signalisiert.
Das tut im ersten Moment richtig weh, denn ich habe sehr viel Zeit in die Vorbereitungen gesteckt und mein Leben für die acht Monate vor der Reise allein auf diese ausgerichtet. Weh tut es, mir einzugestehen, dass ich wohl nicht ganz der Abenteurer bin, für den ich mich gehalten habe, jedenfalls nicht in dem Ausmaß, wie es diese Reise vorgesehen hat.
Am Ende spielen dazu dann noch die oben genannten Faktoren mit rein, das ständige Wasserlassen in der Nacht (5-8x in der Regel), das fehlende Entspannen beim Wildcampen (immer leicht paranoid) und die Feststellung, dass ich mich viel zu sehr am Ziel ausgerichtet habe, den Prozess dagegen nur wenig genießen konnte. Das Ziel zum Weg zu erklären ist wohl keine so gute Grundeinstellung.
Vom „gewinnen“ und „verlieren“
Es ist auch nicht das erste Mal das ich eine Reise oder vielmehr ein Projekt vorzeitig beende. Schon damals habe ich mein Thaibox-Projekt „Year of the Cobra“ vorzeitig beendet und habe nur ein halbes statt ein ganzes Jahr in Thailand verbracht. Dort hatte ich festgestellt, dass der Traum vom Thaiboxprofi doch nicht mehr das war, was ich wirklich „wollte / brauchte“ und es hatte Monate gedauert mir das auch einzugestehen.
Deshalb bin ich gewissermaßen Stolz, die Entscheidung zum besten für mich möglichen Zeitpunkt getroffen und es nicht weiter künstlich, aufgrund vermeintlicher Erwartungen, in die Länge gezogen zu haben. Eine solche Entscheidung ist allerdings nie leicht und wird auch nicht von heute auf morgen gefällt, sie ist ein Prozess.
So habe ich lange überlegt, ob der Satz „Manchmal gewinnt man, manchmal verliert man“ zutreffend sein würde, bin aber zum Schluss gekommen, dass ich das nicht so empfinde. Allein den Mut zu fassen eine Idee in die Realität umzusetzen und in dem Fall eine solche Reise anzutreten ist bereits weit mehr als das eigentliche Ziel tatsächlich zu erreichen.
Immer wieder aufs Neue wagen
Weiterhin und noch viel wichtiger und damit möchte ich ermutigen, egal wie viele Zweifel auch in einem innewohnen mögen, gewinnt man so unfassbar viel dazu. Unabhängig davon, ob etwas ein vorzeitiges Ende findet. Erfahrung, Erkenntnisse, Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit, noch mehr Mut und unzählige neue (positive) Gedankenautobahnen.
Am Ende lohnt sich damit jeder Schritt raus aus der Komfortzone, raus dem gewohnten Umfeld und rein ins Ungewisse. Auch für mich haben sich die unzähligen (eis-)kalten (Regen-)tage, die vielen schlaflosen Nächte, die Sorgen und der ständige Kampf mit mir selbst gelohnt, denn so bin ich wieder einmal ein Stückchen näher zu meiner Essenz gelangt.
Würde ich wieder ins kalte Wasser springen, wieder wagen? Auf jeden Fall, immer! Jetzt freu ich mich aber erst einmal wieder auf die gute altbekannte Komfortzone und die Möglichkeit, meinem Körper wie auch Geist Ruhe und Zeit zur Erholung zu geben. Energie zu tanken, für das, was danach kommen mag.
Danke für euren unermüdlichen Support!
Bedanken möchte ich mich bei meinen Sponsoren LINY (und insbesondere dem Inhaber Tim) , Oticon, Hörwerk (und insbesondere Philipp und Inhaber Christoph) und Hörluchs, die mich bei diesem Projekt tatkräftig unterstützt haben. Durch eure Unterstützung hatte ich perfekte Ausgangsbedingungen für die Reise und konnte mich auf das wesentliche, das Radeln konzentrieren. Tausend Dank!
Auch bei euch, liebe Community, möchte ich mich bedanken. Für die zahlreichen und großzügigen Spenden für War Child Deutschland, für den mentalen Support, die liebevollen Nachrichten und fürs Mitverfolgen. Danke, dass ihr mir einen Teil eurer Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt habt. Ich finde es toll, dass wir uns gemeinsam für die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen aus Kriegs- und Konfliktgebieten eingesetzt haben! <3
P.S. In den nächsten Tagen und Wochen folgen auf der Seite natürlich noch weitere Blogbeiträge und vor allem Erfahrungsberichte mit jeder Menge „Ups and Downs“ zu meiner Reise.
Liebe geht raus, Kevin
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